Compliance und Automobilhersteller


Prolog:
„Klar ist: Volkswagen duldet keine Regel- oder Gesetzesverstöße jedweder Art.“
Der damalige VW-Chef Martin Winterkorn nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen in den USA am 20. September 2015.

Compliance-Berichte deutscher Automobilhersteller in den Jahresabschlüssen 2018

Im Folgenden werden die Compliance-Berichte der drei Automobilhersteller BMW, Daimler und VW analysiert. Der Umfang der Berichte bewegt sich zwischen drei (Daimler) und vier Seiten (BMW und VW). Allerding fügt Daimler noch eine Erweiterung über Antikorruption-, Antitrust-, Technical-, Daten-, Anti Financial Crime- und Menschenrechts-Compliance an. Diese Spezialteile bleiben bei dieser Analyse außen vor. Der Dieselskandal ist noch nicht ausgestanden; die Feinstaub-Debatte ebenso wie die Diskussion um das Dieselfahrverbot geht weiter. Dennoch findet man dazu nur im Compliance-Bericht von VW einen Hinweis unter der Bezeichnung „Dieselthematik“, die zu einem erheblichen Vertrauensverlust beigetragen habe. Die Compliance-Organisation der Hersteller wurde – vielleicht unter dem Einfluss des Dieselskandals – in der Zwischenzeit neugestaltet.

Alle Berichte beginnen mit einem Bekenntnis zur Compliance.

„Unser Anspruch ist es, dass weltweit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Aufgaben stets im Einklang mit den gültigen Gesetzen, Regeln, freiwilligen Selbstverpflichtungen und unseren Werten erfüllen (Quelle 1).

An späterer Stelle wird bei VW dazu ausgeführt, dass kriminelle Handlungen Einzelner niemals vollständig verhindert werden können. Das ist eigentlich selbstverständlich. Es ist aber die Frage, ob kriminelle Handlungen mehrerer Personen auch nicht zu verhindern sind.

Organisatorische Einbindung von Compliance

Der Anspruch auf Compliance wird durch eine entsprechende organisatorische Gestaltung gestützt. So hat VW seit April 2017 den eigenen Bereich Group Compliance gebildet, der eine direkte Berichtslinie an den Vorstand für Integration und Recht besitzt und zudem an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats berichtet (Quelle 2). Die Compliance-Organisation umfasst divisionale und regionale Compliance-Büros. Zudem wurde das Group Compliance Committee unter dem Vorsitz des Vorstands für Integrität und Recht gegründet. Angaben zum Umfang des Committees enthält der Bericht nicht. BMW hat ebenfalls vor mehreren Jahren ein Compliance Committee eingerichtet und die Einführung eines Compliance Management-Systems in die BMW Group veranlasst.

Das Committee setzt sich zusammen aus den Leitern der Bereiche Recht und Patente, Konzernkommunikation und Politik, Konzernrevision, Konzernberichtswesen, Organisationsentwicklung sowie Konzernpersonalwesen. (Quelle 3). Damit sind alle relevanten Bereiche in diesem Committee vertreten. Das Compliance Committee berichtet regelmäßig an den Vorstand und an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats. Das Group Compliance Committee Office ist mit 14 Personen besetzt. Im Jahr 2017 wurde die Einrichtung von 72 lokalen Compliance-Funktionen abgeschlossen, das mit einem Netzwerk von 210 Compliance-Verantwortlichen verbunden ist.

Die Compliance-Organisation von Daimler ist divisional und regional aufgestellt. Für die Unterstützung der Geschäftsfelder steht jeweils ein funktionaler, divisionaler oder regionaler Ansprechpartner zur Verfügung. Die Compliance-Verantwortlichen aus diesen Bereichen berichten an den Chief Compliance Officer, wodurch die Unabhängigkeit von den Geschäftsfeldern gesichert werden soll. Der Chief Compliance Officer berichtet direkt an das Vorstandsmitglied für Integrität und Recht sowie an den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats. Regelmäßig wird der Vorstand der Daimler AG über den Status des CMS und dessen Weiterentwicklung informiert. Die Anzahl der beschäftigten Mitarbeiter im Compliance-Bereich wird nicht genannt.

Mit der Bezeichnung Integration und Recht für das Vorstandsressort wird deutlich, dass nicht nur die Durchsetzung der Compliance mit Sanktionen betrieben werden soll, sondern die Integrität der Mitarbeiter ebenfalls im Fokus steht. Compliance wird von der organisatorischen Einbindung hohe Bedeutung zugemessen, was durch die Berichtslinie an den Vorstand und den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats zum Ausdruck kommt.

Training der Mitarbeiter

Im Nachfolgenden werden die Bestandteile des Compliance Management-Systems beschrieben, das mehr oder weniger nach dem PS 980 oder dem ISO 19600 behandelt wird. Die Aussagen sind dazu unterschiedlich konkret. So betont VW, dass 2017 219.000 Beschäftigte in unterschiedlichen Formaten zu Compliance-Themen geschult wurden. Daneben erfolgten zielgruppenspezifische Schulungen. Innerhalb einer Volkswagen Convention „Integrität, Kultur und Compliance“ wurden 7.300 Mitarbeiter- und Führungskräfte mit dem Veränderungsprozess bei Volkswagen vertraut gemacht.

Bei BMW wurden weltweit über 41.000 Führungskräfte und Mitarbeiter über die Grundlagen von Compliance geschult. Das Training enthält einen Abschlusstest. Die erfolgreiche Teilnahme an dem Training wird durch ein Zertifikat bescheinigt, dass für alle Führungskräfte von VW verpflichtend ist. Bei Neueinstellungen und Beförderungen von Führungskräften ist das Compliance Training Standard. Daneben werden zielgruppenspezifische Trainingsmaßnahmen zu bestimmten Themen, wie Kartellrechts-Compliance durchgeführt. Seit 2011 wurden insgesamt 24.000 Führungskräfte und Mitarbeiter durch Online-Schulungen mit diesen Themen vertraut gemacht. Präsenzschulungen erfolgten 2017 für insgesamt 1.900 Führungskräfte und Mitarbeiter, die an Austauschtreffen mit Wettbewerbern teilnehmen. Spezielle Compliance Market Coachings waren Gegenstand bei internationalen Vertriebs- und Finanzpartnern.

Bei Daimler steht ein webbasiertes zielgruppenorientiertes Trainingsprogramm zur Verfügung, das modular aufgebaut ist und neben einem Basisprogramm auch ein spezifisches Model für Führungskräfte enthält. Die relevanten Module sind bei der Einstellung, Beförderung oder bei einem Wechsel zu absolvieren. Regulär muss das Programm alle drei Jahre absolviert werden. Ergänzt wird das Trainingsangebot durch Präsenzschulungen. 2018 gab es bei Präsenz- und webbasierten Trainings insgesamt rund 220.000 Teilnehmer. Angeboten werden darüber hinaus zielgruppenspezifische Qualifizierungsmaßnahmen. Alle neuen Mitarbeiter erhalten eine umfassende Einführung im Rahmen des Einführungs-Programms.

Die umfangreiche Schilderung der Schulungsmaßnahmen bei allen drei Unternehmen zeigt die Bedeutung auf, die diese Unternehmen der Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich Compliance beimessen. Damit möchte man wohl auch dem Vorwurf entgegentreten, es werde nicht genug getan, um wirtschaftskriminelles Verhalten zu unterbinden. Allerdings sagt die Schulung nichts über den Erfolg der Schulungsmaßnahme aus. Hier müsste ein Absinken doloser Handlungen durch Führungskräfte und Mitarbeiter festzustellen sein. VW verfolgt eine Compliance-Kennzahl „Regeleinhaltung, Prozesssicherheit und Fehlerkultur“.

Die Kennzahl basiert auf der Auswertung von Antworten zu Fragen bezüglich des Stimmungsbarometers zur Einhaltung von Regelungen und Prozessen. Diese Kennzahl verbesserte sich 2017 auf 79,67 % zu 79,03 % in 2016. Ob damit eine deutliche Verbesserung eingetreten ist, kann aus den Zahlen für die Jahre 2016 und 2017 nicht abgeleitet werden.

Hinweisgebersystem

Dem Hinweisgebersystem wird bei allen drei Unternehmen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Bei Daimler ermöglicht das Hinweisgebersystem weltweit Beschäftigten und externen Hinweisgebern, Regelverstöße zu melden. Mit einer weltweit gültigen Konzernrichtlinie wird das Ziel verfolgt, eine faire und transparente Vorgehensweise zu ermöglichen, die sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für den Betroffenen als auch den Schutz des Hinweisgebers berücksichtigt. In 2018 wurden 89 Fälle neu angelegt und 101 Fälle geschlossen, davon 60 als zutreffend. Die wirtschaftskriminellen Handlungen bestanden in Korruption, Diebstahl, Untreue und Bereicherungsdelikten sowie Schadensfällen über 100.000 €.

Bei BMW wird den Mitarbeitern – offensichtlich nicht externen – die Möglichkeit gegeben, Hinweise auf mögliche Rechtsverstöße im Unternehmen anonym und vertraulich abzugeben. Diese Telefon-Line ist in sämtlichen Ländern, in denen BMW Mitarbeiter tätig sind über lokale kostenfreie Rufnummern in 34 Sprachen zu erreichen. Die Anfragen und Hinweise werden vom Compliance Committee Office dokumentiert und bearbeitet. Nähere Angaben zu Art und Umfang der Fälle finden sich hier nicht.

VW versteht unter einem Hinweisgebersystem sowohl die internen als auch die externen Anlaufstellen, bei denen Mitarbeiter und Externe Hinweise zu potenziellen schweren Verstößen melden können. Dieses Hinweisgebersystem wurde bereits 2006 bei VW eingeführt und im Jahr 2017 verbessert und teilweise neu geordnet. Zum 1. November 2017 erfolgte nochmals eine Optimierung des Verfahrens, um Hinweisen schneller, fairer und transparenter nachgehen zu können. Durch die Neugestaltung des Hinweisgebersystems 2017 wurde eine konzerneinheitliche Handhabung erreicht. Konzernweit wurden 2017 1.489 Hinweise registriert. Weiterhin heißt es dazu lapidar, dass bei allen substantiierten Hinweisen Untersuchungen durchgeführt werden und festgestelltes Fehlverhalten sanktioniert wird.

Fasst man diese drei Bestandteile nochmals zusammen, dann wird die Bedeutung von Compliance durch die organisatorische Einbettung unterstrichen. Zudem werden alle Mitarbeiter regelmäßig hinsichtlich Compliance geschult. Durch das konzernweite Hinweisgebersysteme hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit Auffälligkeiten oder Fehlverhalten zu melden. Wie konnte es dann zum „Dieselskandal“ kommen, wenn unterstellt wird, es handele sich nicht nur um das Fehlverhalten einer einzigen Person, was nicht aufrechterhalten werden kann. Mehrere Personen waren beteiligt und keiner hat einen Hinweis auf das Fehlverhalten gegeben. Deshalb die Frage, ob die Mitarbeiter insgesamt so „mutig“ sind, eine Meldung über Fehlverhalten abzugeben, und ob im Konzern wirklich ein Interesse daran besteht, dass eine Vielzahl von Meldungen über das Hinweisgebersystem eingehen.

Couragiertes Handeln von Whistleblowern

Das Geben von Hinweisen ist mit Risiken verbunden. Whistleblower sind bereit, moralische Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen und setzen sich der Gefahr von Repressalien aus. Damit ist eine besondere Form von Mut gefordert, weil existenzielle Risiken und Abhängigkeiten die Folge sein können. Es erfordert schon ein gerütteltes Maß an Zivilcourage, eine Meldung abzugeben, die nicht unmittelbar auf das Wohlwollen der Empfänger trifft. Sieben Konfliktlagen sind dafür verantwortlich, dass ein Mitarbeiter zum Whistleblower wird:

• Der Arbeitgeber erwartet vom Arbeitnehmer, dass er gegen berufliche Standards verstößt, z.B. im Interesse von Auftraggebern.
• Nach einem Schadensfall sollen Informationen gegenüber Behörden, Untersuchungsgremien oder der Öffentlichkeit verschwiegen werden.
• Wichtige Dokumente werden unterdrückt.
• Innerbetriebliche Missstände werden vom Arbeitgeber nicht abgestellt.
• Praktiken des Unternehmens verstoßen gegen das nationale Recht.
• Internationale Abkommen oder Gesetze werden verletzt.
• Die unternehmerische Tätigkeit birgt erhebliche Gefahren gegen die Natur oder/und die Gesundheit der Menschen. (Quelle 4).

Für den Hinweisgeber entsteht nun ein Prozess der Abwägung zwischen seiner Loyalität zum Unternehmen und seiner ethischen Verantwortung. Whistleblower wollen Schäden ihrer Arbeitswelt abwenden und nehmen dafür persönliche Nachteile in Kauf. Nach einer Befragung in USA litten 77,1 % dauerhaft an Schlafstörungen, 80,7 % unter Angstzuständen, 25,6 % konsumierten häufiger Alkohol und bekamen Morddrohungen (Quelle 5). Es gibt wenige prominente Fälle, in denen der Whistleblower für sein couragiertes Verhalten ausgezeichnet wurde, weil er mutig gegen übermächtige Konzerne angetreten ist. Daneben steht die große Zahl anonym gebliebener Fälle, die immer noch auf Gerechtigkeit und Rehabilitierung warten.

Couragiertes Verhalten ist abhängig von einer Reihe handlungsleitender Einflüsse auf das Individuum. Hier kann zwischen den situativen Faktoren und den personalen Faktoren unterschieden werden. Zu den situativen Faktoren zählt das Ereignis selbst: Ist die Verletzung der Norm eindeutig und überschaubar, und welche Risiken sind mit dem illegalen Verhalten verbunden. Wichtig ist zudem die Unterstützung, die der Whistleblower über das Betriebsklima, sowie die Zustimmung und Förderung erwarten kann. Betrachtet man die personalen Faktoren, so zählt dazu das Selbstvertrauen und das Vertrauen zu anderen. Hinzu kommt die Überzeugung, etwas bewirken zu können. Entscheidend ist aber die moralische Urteilsfähigkeit des Individuums.

Organisatorische Situationen können dazu führen, dass das Individuum entmutigt wird und zum vertrauten Weg zurückkehrt, weil Bestrafung droht oder die Person benachteiligt wird. In diesen Fällen folgen die Individuen nicht mehr ihrem moralischen Kompass (Quelle 6).

Hinweisgeber sind dann wohl gelitten, wenn sie wirtschaftskriminelles Handeln von Kollegen und Mitarbeitern aufdecken. Geht es um Top Management Fraud wird ein Übermaß an couragiertem Handeln verlangt, wenn der Whistleblower die für ihn möglichen negativen Folgen bedenkt. Eine Lösung des Problems zeichnet sich hier nicht ab. Von den Überwachungsinstitutionen Aufsichtsrat, Abschlussprüfer und Interne Revision ist ein hohes Maß an intensiver Beschäftigung mit den sensiblen Vorgängen zu verlangen.

Die Compliance-Organisation sollte dafür Sorge tragen, dass auch die Unternehmensführung in ihr Betätigungsfeld einbezogen wird. Letztendlich wird immer an das ethische Verhalten der beteiligten Personen appelliert.

Quellenangaben:

Quelle 1: Vgl. Daimler: Geschäftsbericht Nichtfinanzieller Bericht, S. 217.
Quelle 2: Vgl. VW: Geschäftsbericht Corporate Governance-Bericht, S. 63.
Quelle 3: Vgl. BMW: Geschäftsbericht Compliance in der BMW Group S. 216.
Quelle 4: Vgl. Deiseroth: Zivilcourage am Arbeitsplatz – Rechtliche Rahmenbedingungen, in: Reinhold/Löhr/Blickie: Wirtschaftsbürger oder Marktopfer? München und Mering 2001, S. 108ff.
Quelle 5: Vgl. Prätorius: Zur politischen Kultur von Loyalitätskonflikten am Beispiel der “Whistleblower”; in: Korenke: Politische Deutungskulturen, Baden-Baden 1999, S. 115.
Quelle 6: Vgl. Comer/Vega: The Personal Ethical Treshold; in Comer/Vega: Moral Courage in Organizations – Doing the Right Thing at Work, New York 2011, S. 27.

Weiterbildung Compliance

Starten Sie jetzt mit der Ausbildung zum Chief Compliance Officer oder Tax Compliance Officer!

Nutzen Sie mit dem WIRTSCHAFTScampus die Möglichkeit zur zertifizierten Ausbildung im Bereich Compliance Management und schützen Sie sich selbst oder ihr Unternehmen mit der persönlichen Teilnahme oder der Anmeldung eines ihrer Mitarbeiter bei unserer Compliance-Weiterbildung. Der WIRTSCHAFTScampus bietet die beiden aufeinander aufbauenden Fernstudium im Bereich Compliance Management an:

Certified Compliance Officer: Die Inhalte des Fernstudiums Certified Compliance Officer beinhalten u.a. Innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS), Risikomanagementsystem (RMS), Ethik-Kodex, Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance-Management-Systemen IDW PS 980, ISO 19600 – Richtlinien für ein Compliance Management System, ISO 37001 – Standard zur Antikorruption.

Certified Chief Compliance Officer: Die Inhalte des Fernstudiums Certified Chief Compliance Officer beinhalten u.a. Compliance von Lieferanten und Kunden, Compliance und M&A, Compliance und IT, Compliance auf Führungsebene, Haftung der Geschäftsführung, Arbeitsrecht und Compliance, Kartell- und Wettbewerbsrecht, Geldwäsche, ISO 19600.

Weiterhin ist die Ausbildung zum Certified Tax Compliance Officer jederzeit möglich.

Ehrbarer Kaufmann als Leitlinie für den Deutschen Corporate Governance Kodex


Den Deutschen Corporate Governance Kodex gibt es jetzt seit 2001. Die Diskussion um Compliance wird auch bereits seit gut zehn Jahren geführt. Wer glaubte, dass sich dadurch die Unternehmensführung zum Besseren gewandelt hätte, sieht sich getäuscht. Unfähige Aufsichtsräte, unverschämte Vorstände, freche Bankdirektoren sind uns seit der Dotcomblase, der Finanz- und Wirtschaftskrise und bis heute gut bekannt. Um nur einige Namen der letzten Jahre zu nennen, sei hier Ackermann, Middelhoff, Winterkorn, Schlecker und Hoeneß aufgeführt. Regierungspapiere, Stellungnahmen und Kodizes für alle Unternehmensformen füllen Regale und lassen sich kaum noch überschauen. Das geeignete Mittel für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung scheint aber noch nicht gefunden zu sein.

Zwei Entwicklungen sind in Deutschland zu erkennen: Einmal sind so viele Vorstände und nun auch vermehrt Aufsichtsräte vor den Schranken des Gerichts gelandet wie nie zuvor und zum Teil bereits hinter den Gittern von Gefängnissen verschwunden. Dort können sie in aller Ruhe über die Qualität ihres Wirkens nachdenken. Hier geht es z.T. um die Frage, ob betriebliche Mittel für private Zwecke eingesetzt wurden wie bei Middelhoff oder ob die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsabläufe gesichert wurde wie im Falle des Siemens-Vorstands Neubürger.

Zum anderen verteidigen sich die Vorstände und Aufsichtsräte mit Hinweis auf die Gesetze, Verordnungen und Bilanzierungsregeln. Die Reputation der Wirtschaftsbosse ist schlecht, sie fühlen sich aber im Recht. Schließlich haben sie die komplexen Finanzderivate erfunden, die als Auslöser des finanziellen Zusammenbruches der Banken gelten. Insofern verstecken sich die Wirtschaftsführer hinter den Gesetzen und dem rechtlichen Verhau, der für den Laien nicht mehr durchschaubar ist. Alle Aussagen und Veröffentlichungen der Unternehmen werden vorab von den Hausjuristen geprüft, ob sie legal sind. Die Öffentlichkeit erwartet aber legitimes Verhalten der Wirtschaft.

Es zeigt sich in diesen Fällen, dass ein Verhaltenskodex, der Vorgaben für einzelne Sachverhalte macht, an seine Grenzen stößt wie z.B. bei der Vorstandsvergütung. Die Regelungen entwickeln keine Verhaltenssteuerung, die über das geschriebene Wort hinausgeht. Der Vorstand klebt mit seinem Hausjuristen an der Gesetzesformulierung und sucht gegebenenfalls nach der Lücke. Strebt man eine vorbildliche Unternehmensführung an, geht es im Grunde um die Suche nach den Tugenden des „ehrbaren Kaufmannes“ der „Maß und Ziel“ kennt und der „recht und billig“ das „jus bonum et aequum“(das billige Recht nach dem natürlichen Empfinden) eigenverantwortlich zu wahren weiß.

Der Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Dr. Manfred Gentz, hat deshalb die Diskussion um den ehrbaren Kaufmann neu angefacht. Er sieht ihn als Leitfigur mit Strahlkraft für die Wirtschaft. Er ist eingebettet in die staatliche Regulierung, die Selbstregulierung und die Freiheit des Einzelnen. In der Präambel des DCGK wird nun ausgeführt, dass “nicht nur Legalität, sondern auch ethisch fundiertes, eigenverantwortliches Verhalten“ verlangt wird.

Entstanden ist die Verhaltensform ehrbarer Kaufmann im 13. Jahrhundert in Norditalien und in Deutschland über die Hanse. Es fehlten zu dieser Zeit staatliche Regelungen für den Wirtschaftssektor. Gerade für den Handel über die Landesgrenzen hinweg war ein ungeschriebener Kodex eine Hilfe für die beteiligten Kaufleute. Der Kodex verlangte Tugenden wie Redlichkeit und Fairness, Integrität, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit, Weitblick, aber auch Fleiß und Anstand. Damit war kein altruistisches Verhalten gemeint. Für den ehrbaren Kaufmann war das Erzielen von Gewinn solange notwendig und richtig, solange es nicht zulasten und zum Schaden der Geschäftspartner oder der Allgemeinheit ging. Schwarze Schafe wurden geächtet; sie mussten neben finanziellen Einbußen einen – noch schwerer wiegenden – gesellschaftlichen Gesichtsverlust hinnehmen. Die Verhaltensnorm verhinderte somit Betrügereien.

Aufgegriffen wurde die Umgangsform „Ehrbarer Kaufmann“ im § 1 des IHK-Gesetzes. Den IHKs obliegt es insbesondere, „durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmannes zu wirken“. Eine Formulierung, über die wohl häufig hinweggelesen wird.

Eine längere Tradition hat die Versammlung eines Ehrbaren Kaufmannes (VEEK) in Hamburg, die auf das Jahr 1517 zurückgeht. Der Verein tritt dafür ein, dass im Rahmen der jeweils gültigen Gesetze die im Geschäftsverkehr allgemein anerkannten ethischen Grundsätze und das Prinzip von Treu und Glauben beachtet sowie Handlungen unterlassen werden, die mit dem Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen nicht vereinbar sind. Der Verein hat neun Leitsätze für ehrbares Verhalten erarbeitet, die eine gute Basis für die weitere Diskussion bilden können.

Der Ehrbare Kaufmann als Person:

Sich zur Einhaltung von Werten verpflichten

  • Der Ehrbare Kaufmann ist weltoffen und freiheitlich orientiert.
  • Der Ehrbare Kaufmann steht zu seinem Wort, sein Handschlag gilt.
  • Der Ehrbare Kaufmann entwickelt kaufmännisches Urteilsvermögen.

Der Ehrbare Kaufmann in seinem Unternehmen:

Bedingungen für ehrbares Verhalten schaffen

  • Der Ehrbare Kaufmann ist Vorbild in seinem Handeln.
  • Der Ehrbare Kaufmann schafft in seinem Unternehmen die Voraussetzungen für ehrbares Handeln.
  • Der Ehrbare Kaufmann legt sein unternehmerisches Wirken langfristig und nachhaltig an.

Der Ehrbare Kaufmann in Wirtschaft und Gesellschaft:

Den Rahmen für Ehrbares Handeln begreifen und gestalten

  • Der Ehrbare Kaufmann hält sich an das Prinzip von Treu und Glauben.
  • Der Ehrbare Kaufmann erkennt und übernimmt Verantwortung für die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.
  • Der Ehrbare Kaufmann tritt auch im internationalen Geschäft für seine Werte ein.

Über Jahrhunderte wurde das Loblied des ehrbaren Kaufmannes gesungen, aber wohl nicht von den Wirtschaftsführern. Denn auch heute kann man noch lange den Ballindamm in Hamburg auf- und ablaufen, um auf einen ehrbaren Kaufmann zu treffen. Was bedeutet dann der Vorstoß, eine Verankerung im DCGK vorzunehmen.

Wenn der Staat den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen sich die Wirtschaftssubjekte bewegen müssen, sollte das erfolgen, um den Schutz der anderen Wirtschaftsteilnehmer zu gewährleisten und die Kreativität einer missbräuchlichen Gestaltung einzuschränken. Diese Gesetze können aber nur den Rahmen vorgeben. Sie kommen ohne Grundprinzipien nicht aus. Nicht alle Einzelheiten des Wirtschaftslebens können durch Gesetze und Verordnungen geregelt werden. Grundprinzipien würden insofern für die nötige Flexibilisierung sorgen, da sie einen gewissen Unbestimmtheitsgrad aufweisen und unterschiedliche Auslegungselemente enthalten. Gerichte müssten dann gegebenenfalls zur Konkretisierung beitragen und die Durchsetzung gewährleisten. Auf künftige Entwicklungen und internationale Veränderungen müsste nicht mit einer Fülle von Gesetzesänderungen reagiert werden, wenn die Grundprinzipien das Verhalten bestimmen.

Die Grundprinzipien zeigen folgende Vorteile:

  • Sie fordern ein bestimmtes Verhalten ein, wo Regelungen fehlen.
  • Sie bekämpfen Auswüchse bei der Auslegung von Regelungen, die bis zum äußersten Rand strapaziert werden.
  • Sie liefern bei international unterschiedlichen Regelungen eine Hilfe für die Beteiligten.

Es stellt sich dann nur die Frage, warum das Leitbild des ehrbaren Kaufmannes bisher nicht geholfen hat, in der Zukunft aber erfolgreich sein soll?

Ein Grund könnte darin bestehen, dass alle Regelungen des DCGK in Zukunft unter der Maßgabe des ehrbaren Kaufmanns formuliert werden. Das ist das bevorzugte Anliegen vom Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Hier liegt die Rückendeckung von 60 verantwortlichen Spitzenführungskräften und ca. 10 Verbänden der deutschen Wirtschaft vor.

Ein zweiter Grund könnte dann vorliegen, wenn von einem Kulturwandel ausgegangen wird und das Bemühen bei allen Wirtschaftssubjekten auf den ehrbaren Kaufmann fixiert ist. Von diesem Kulturwandel ist aber noch nicht allzu viel zu sehen, wenn man die Tagespresse verfolgt. Die Diskussion über die Firmenethik wird seit Jahrzehnten geführt, alle großen Unternehmen haben sich einen Ethik-Kodex gegeben. Er ist aber leider nur zum Teil ein living paper.

Auch denkbar wäre, dass von den Gerichten konkrete Maßnahmen in bestimmten Fällen vorgegeben werden, wie die Grundprinzipien zu erfüllen sind. Wenn ein Richterrecht entsteht, das den Wirtschaftsführern immer dann mangelnde Aufsicht vorwirft, wenn Fehler entstanden sind, wird dies aber nicht zu einer guten Unternehmensführung beitragen. Als Beispiel sei hier der Neubürger-Fall erwähnt: Der Siemens Konzern verklagte den früheren Finanzvorstand Neubürger auf 15 Millionen Euro Schadensersatz im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre, die den Konzern insgesamt 2,5 Milliarden Euro kostete. Der Aufsichtsrat wollte damit den Aktionären demonstrieren, dass man die ehemaligen Spitzenmanager nicht verschont. Mit neun der elf Vorstände hatte Siemens Vergleiche geschlossen. Auch Neubürger wäre zu einem Vergleich bereit gewesen, wenn Siemens von ihm nicht vier Millionen Euro verlangte, deutlich mehr als von den anderen Vorständen. Er sah die Höhe des Betrags als Willkür an und wollte eine Entscheidung über die Höhe der Strafe durch das Gericht. Im Dezember 2013 verurteilte ihn das Landgericht München in erster Instanz wegen vernachlässigter Aufsichtspflicht zur Zahlung von 15 Millionen Euro. Dieses Urteil erschütterte die gesamte Unternehmenswelt. Damit wäre kein Manager in Deutschland mehr sicher vor Schadensersatzforderungen, für die er mit seinem Privatvermögen für Missstände im Unternehmen haften müsste. Kurze Zeit später beging Neubürger Selbstmord.

Ein weiterer Grund könnte sich daraus ergeben, dass die einzelnen Länder im Rahmen der Globalisierung enger zusammengewachsen sind und die Kulturen eine gewisse Angleichung erfahren haben. Somit kann auf allgemeine Grundprinzipien weltweit zurückgegriffen werden. Allerdings ist die Anzahl von Unterschieden auch heute noch gewaltig:

  • Begrüßungsgeschenke sind in arabischen Ländern Pflicht.
  • Kinderarbeit ist auch heute noch in Asien häufig anzutreffen.
  • Beschleunigungsgelder sind in Russland nicht verboten.
  • Pelztierhandel wird in Russland von der Gesellschaft akzeptiert.

Die Wirtschaft braucht verlässliche Regelungen, an denen sie sich orientieren kann. Werden diese Regelungen im Einzelfall analysiert, besteht die Gefahr, dass sich irgendeine unterlassene Aufsichtsmaßnahme immer finden lässt. Die Rechtsprechung begnügt sich häufig mit der Feststellung, dass die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend waren, ohne selbst operationale Größen abzustecken. Gerade dieses Vorgehen führt zu den Auseinandersetzungen der Juristen vor Gericht, hilft aber nicht dem Aktionär oder dem Gläubiger. Manager brauchen klare Vorgaben. Berechenbarkeit ist die Voraussetzung für wirtschaftliches Handeln.

Der ordentliche Kaufmann wurde in Deutschland durch das Handelsgesetzbuch als Orientierungshilfe vorgegeben, hat aber gewagte Auslegungen oder gar Verstöße gegen die Rechnungslegungsvorschriften nicht verhindert. Der nächste Schritt geht nun vom ordentlichen zum ehrbaren Kaufmann.

Es wird sich zeigen, ob das Leitbild des ehrbaren Kaufmanns ein weiteres Hintertürchen zum Strapazieren von Gesetzesauslegungen ist, oder ob es ein echtes Umdenken bei den Wirtschaftsbossen auslöst. Wie schwierig es ist Lösungen zu finden, zeigt sich bei der Diskussion um die Vorstandsbezüge (VW-Vorstand erhält für 13 Monate Tätigkeit 13 Mio. Euro), den amerikanischen Banken, die schon fast wieder im Goldrausch sind, und der Fülle an Kartellverstößen der deutschen Wirtschaft.

Notwendig sind heute mehr denn je echte Unternehmenspersönlichkeiten mit sozialem Engagement. Gute Unternehmensführung ist die beste Medizin zur Vermeidung von unredlichem Handeln. Nie war der ehrbare Kaufmann so wertvoll wie heute im Hinblick auf die Entwicklung der nächsten Jahre.

Steuern und Compliance

In den letzten Jahren hat es eine Fülle von Fällen der Steuerhinterziehung gegeben. Sie sind verbunden mit den Namen von Privatpersonen wie Zumwinkel, Hoeneß, Messi oder Schwarzer und mit Unternehmen wie Banken, Industrieunternehmen und Baufirmen. Trotz der z.T. hohen Strafen – für eine Million hinterzogene Steuern geht der Betreffende ein Jahr ins Gefängnis – kommen immer neue Fälle ans Tageslicht. Warum also ist der Wunsch nach Steuerhinterziehung so virulent? Drei Ursachen kann man ausmachen:

  • Keiner zahlt gerne Steuern. Besteht eine Möglichkeit zur Kürzung oder Hinterziehung und kann der Vorgang verheimlicht werden, wächst offensichtlich der Wunsch, die Steuern zu kürzen oder gänzlich auf Steuerzahlungen zu verzichten. Dies wird noch unterstützt, wenn dem Staat misstraut wird, die Steuern gerecht einzufordern und die Gelder sparsam zu verwalten. Schon Nietzsche empfand den Staat als kältestes aller kalten Ungeheuer.
  • Das deutsche Steuersystem ist unübersichtlich und kompliziert. Es muss deshalb nicht immer kriminelle Energie dahinter stecken, wenn Steuererklärungen Fehler aufweisen. Zum anderen kann man aber auch versuchen, sich hinter dieser Komplexität zu verstecken und sie als Ausrede benutzen.
  • Es gibt immer noch genügend Steueroasen im Ausland. In den Unternehmen wird immer nach Möglichkeiten gesucht, die Steuerlast zu minimieren. Dies ist zumindest z.T. legal, aber mit Imageschäden verbunden. Zum anderen halten die Konstruktionen, die von den Unternehmen mithilfe von Beratern entwickelt wurden, nicht immer der Prüfung stand.

Die verspätete, falsche oder in Teilen nicht vollständige Einreichung von Steuererklärungen kann neben finanziellen auch strafrechtliche und rufschädigende Risiken für die Geschäftsleitung und Mitarbeiter eines Unternehmens haben. Der Anwendungserlass des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) zur Abgrenzung der Berichtigung objektiv unrichtig abgegebener Steuererklärungen nach § 153 AO vom 23.05.2016 und einer strafbefreienden Selbstanzeige versucht, diese Risiken zu entschärfen.

Genau dieser Anwendungserlass sieht in Tz 2.6 vor, dass die Implementierung eines innerbetrieblichen Kontrollsystems (IKS) im bestehenden oder neu geschaffenen Compliance Management Systems (CMS) als Indiz gegen den Vorwurf einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung dienen kann.

Das Problem Steuerhinterziehung resultiert aus dem gestörten Verhältnis zwischen Bürger und Staat. Gegensteuern kann man mit der Hebung der Steuermoral und der Steuerehrlichkeit auf der einen Seite und mit einem Steuer-IKS im Unternehmen auf der anderen Seite. Mit dem letzteren hat sich das IDW auseinandergesetzt und dazu den Entwurf eines IDW Praxishinweises 1/2016 vorgelegt: „Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management System (IDW PS 980)“

Was ist ein Tax Compliance Management System?

Auf der Grundlage des am 22.06.2016 erschienen Entwurfs eines IDW-Praxishinweises zur Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems werden nun nachfolgend die Grundzüge im Segment Tax Compliance aufgezeigt und teils in Einzelstrukturen zerlegt. Sinn und Ziel ist es, hier einen ersten, groben Überblick zu geben, wie man Zusammenhänge in der täglichen Compliance-Arbeit im speziellen Bereich Steuern definiert, organisiert und praxisbezogen umsetzt.

Dieser Entwurf nennt sieben grundsätzliche Bausteine des Tax Compliance, welche abhängig vom Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt sein können und laut des Entwurfs ausdrücklich keinen Mindeststandard darstellen sollen. Die sieben Grundelemente sind:

  1. Tax Compliance Kultur: Beachtung der steuerlichen Regeln und die ordnungsgemäße Erfüllung aller steuerlichen Pflichten im Unternehmen
  2. Tax Compliance Ziele
  3. Tax Compliance Organisation: Aufgaben und Verantwortlichkeiten
  4. Tax Compliance Risiken im Hinblick auf Steuerart und die Prozesse
  5. Tax Compliance Programm: präventiv z.B. individuelle Schulungen und investigativ z.B. Vier-Augen-Prinzip
  6. Tax Compliance Kommunikation: Berichtsanlässe, Berichtsrichtlinien und Schnittstellen zu anderen Bereichen
  7. Tax Compliance Überwachung und Verbesserung: zum Beispiel durch regelmäßige Überprüfung der Prozessabläufe

Die Prüfung soll in einem Testat der Wirtschaftsprüfer münden. Dies bestätigt, dass das Tax Compliance System geeignet und angemessen ist, um Risiken von Regelverstößen rechtzeitig zu erkennen und solche Regelverstöße zu verhindern.

Ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) ist ein abgegrenzter Teilbereich eines CMS, dessen Zweck die vollständige und zeitgerechte Erfüllung steuerlicher Pflichten ist. Es ist für Zwecke der Prüfung von anderen Teilbereichen des CMS abzugrenzen und eindeutig und klar zu definieren. Dies erfolgt vor allem mit Blick auf die einbezogenen Steuerrechtsordnungen, Steuerarten, rechtlichen Einheiten und Betriebsstätten. Das Tax CMS umfasst auch die Rollen und Verantwortlichkeiten von Personen oder Organisationseinheiten, die in die Erfüllung von Pflichten innerhalb des Unternehmens (Mitarbeiter, internes Shared Service Center etc.) und/oder außerhalb des Unternehmens (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, andere externe Dienstleister, externes Shared Service Center etc.) einbezogen sind.

Das Tax Compliance Management System im bestehenden CMS

Das Tax CMS definiert sich als Baustein innerhalb einer bestehenden Compliance-Struktur im Unternehmen. Ausdrücklich setzt das Tax CMS die ständige Überprüfung im Hinblick auf die IDW PS 980 voraus.

Kontrollumfeld: Dieses bildet die Grundlage eines wirksamen Tax CMS. Wesentliche Faktoren sind hierbei die Grundeinstellung, Organisationskultur und das Problembewusstsein der zuständigen Mitarbeiter. Die Implementierung einer Compliance-Kultur, die deutlich macht, dass die Einhaltung steuerlicher Vorschriften wichtig ist und dass Verstöße nicht geduldet und sanktioniert werden, hat daher auf jeder Ebene der Organisation zu erfolgen.

Risikobeurteilung: Unter Berücksichtigung des Kontrollumfeldes sind die in der Organisation vorhandenen Risiken festzustellen. Die Risiken sind nach deren Eintrittswahrscheinlichkeit und den Folgen zu gewichten (Müller, IDWlife 03.2016, 121). Risikobehaftet sind insbesondere Umsatzsteuerthemen wie die Abgrenzung der nichtunternehmerischen von der unternehmerischen Sphäre, der Vorsteuerabzug, Reverse-Charge-Fälle, die Ein- und Ausfuhrabgaben sowie die Abgrenzung des aktiven und passiven Sponsorings von der Spende.

Kontrollaktivitäten: Um den festgestellten Risiken entgegenzuwirken, sollten folgende vier Prinzipien durch das Tax CMS umgesetzt werden: Das Transparenzprinzip, welches besagt, dass für organisationsinterne Personen und externe Dritte ersichtlich sein muss, nach welchem Tax CMS gehandelt wird und inwiefern den einzelnen Maßnahmen Folge geleistet wird. Als Sicherungsmaßnahme sollten nach dem Mindestinformationsprinzip für den einzelnen Mitarbeiter nur die Informationen zugänglich sein, die er für seine Arbeit benötigt.

Damit verbunden ist das Prinzip der Funktionstrennung, wonach vollziehende, verbuchende und verwaltende Tätigkeiten innerhalb eines Unternehmensprozesses nicht in einer Hand liegen sollten. So wird sichergestellt, dass nicht eine einzelne Person zu viel Einfluss auf steuererhebliche Prozesse hat. In einem Tax CMS sollte zudem jeder wesentliche Vorgang durch eine Gegenkontrolle im Rahmen eines Vier-Augen-Prinzips abgesichert werden.

Information und Kommunikation: Innerhalb des Tax CMS sind die vorhandenen Informations- und Kommunikationssysteme auf deren Effektivität und Wirksamkeit zu überprüfen. Jeweils betroffene Mitarbeiter sind über Verantwortlichkeiten, Informationsflüsse und Kommunikationswege zu informieren, damit die jeweiligen Aufgaben sachgerecht erfüllt werden können. Zur Nachvollziehbarkeit für die einzelnen Mitarbeiter ist eine Verschriftlichung in Organisationshandbüchern, Richtlinien oder Arbeitsanweisungen sinnvoll.

Überwachung des Tax CMS: Die Überwachung des vorhandenen Tax CMS dient der fortlaufenden Beurteilung der Angemessenheit, Eignung, Wirksamkeit und der tatsächlichen Durchführung des CMS und ermöglicht so die Identifikation von Anpassungs- und Verbesserungspotenzial. Die Überwachung sollte auch eine Kontrolle der Kontrolleure beinhalten.

Die Ausgestaltung eines Tax CMS richtet sich unter anderem nach Größe, Gegenstand der Organisation, individuellen Bedürfnissen und vorhandenen Ressourcen. Die Festlegung eines allgemeingültigen Standards ist daher nicht möglich.

Ausblick

In den nächsten Jahren werden die Anforderungen, welche sich ausdrücklich auf Unternehmen aus allen Größen und Branchen beziehen, weiter deutlich ansteigen – sowohl im Bereich der Prävention von Vergehen jedweder Art gegen die Unternehmenskultur als auch speziell im Hinblick auf Vergehen im steuerlichen Bereich. Somit ist neben der „normalen“ Compliance-Arbeit die Integration eines Tax CMS als Baustein für jedes Unternehmen ausdrücklich zu empfehlen.

Aufgrund der zunehmenden Komplexität und der sich stetig ändernden steuerrechtlichen Regelungen und Anforderungen wird in der nahen Zukunft auch im Non-Profit-Bereich kein Unternehmen oder keine Organisation darum herum kommen, zumindest ein grundsätzliches Tax CMS für sich einzurichten. Geschieht dies nicht, so besteht nicht nur für Inhaber und Geschäftsführer sondern auch zum Beispiel für die Mitglieder eines Aufsichtrats nicht nur die Gefahr, für Steuern Dritter einstehen zu müssen, aufgrund eines Unternehmensverschuldens gegenüber der Gesellschaft oder des Unternehmens zu haften oder eine Ordnungswidrigkeit zu begehen, sondern im schlimmsten Fall strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden.

Für die erfolgreiche Implementierung eines Tax Compliance Management Systems gilt grundsätzlich das Motto: Der Weg ist das Ziel!

Die Implementierung neuer Strukturen und Verantwortlichkeiten sollte Schritt für Schritt erfolgen. Wichtig hierbei ist, dass Verhaltensänderungen zur Vermeidung von menschlichem Fehlverhalten immer unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Bedürfnisse der Betroffenen erfolgt. Im Ergebnis führt ein Tax CMS zu mehr interner Transparenz, geklärten Zuständigkeiten und Prozessen, einer erhöhten Effektivität und einem positiven Image bei der Finanzverwaltung und potenziellen Investoren.

Certified Tax Compliance Officer in 2017

Durch die kontinuierliche Verschärfung des Strafrechts in den letzten Jahren sowie die Anhäufung aktueller und teils sehr medienwirksamer Steuerverbrechen innerhalb der letzten Jahre haben die frühzeitigen und präventiven Maßnahmen im Hinblick auf Tax Compliance deutlich an Wichtigkeit zugenommen. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 23. Mai 2016 im Anwendungserlass zu § 153 AO unter anderem festgestellt:

…. Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann ….

Daher wird es für Unternehmen aller Größen und Branchen immer wichtiger, ein präventives und wirksames TAX Compliance Management im Unternehmen zu verankern bzw. bereits tätige oder zukünftige Compliance Officers hier explizit zu schulen und deren Wissen im Segment Tax Compliance zu zertifizieren.

Genau hier wird der WIRTSCHAFTScampus mit seiner angekündigten Ausbildung zum Certified Tax Compliance Officer in 2017 als Fernlehrgang ein Zeichen zur Unterstützung im gesamten Compliance Bereich bzw. bereits bestehender Compliance Strukturen setzen.

Jahrelange Erfahrung im Compliance Umfeld besteht beim WIRTSCHAFTScampus durch die beiden erfolgreichen Fernlehrgänge, die jährliche Ausrichtung des Compliance Sommer- und Wintercampus sowie durch das jährliche angebotene Compliance Update zur Mitte des Jahres in Würzburg.

Fernlehrgänge Compliance Management

Selbstverständlich ist die Thematik Steuern und Compliance bereits jetzt schon ein fester Bestandteil innerhalb unserer Fernlehrgänge im Bereich Compliance Management und der Ausbildung zum Chief Compliance Officer.

Der WIRTSCHAFTScampus bietet die beiden aufeinander aufbauenden Fernlehrgänge im Bereich Compliance Management an:

Certified Compliance Officer

  • Versand von 3 umfangreichen Lehrbriefen zum Selbststudium
  • tutorielle Betreuung während des Lehrgangs
  • 2 Tage Präsenzunterricht

Lehrbriefe:

  1. Compliance-Grundlagen
  2. Risiken und Kontrolle
  3. Verantwortung des Compliance Officers

Die Inhalte des Fernlehrgangs Certified Compliance Officer beinhalten u.a. Innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS), Risikomanagementsystem (RMS), Ethik-Kodex, Grundsätze ordnungsgemäßer Prüfung von Compliance-Management-Systemen IDW PS 980, ISO 19600 – Richtlinien für ein Compliance Management System, ISO 37001 – Compliance Standard zum Thema Antikorruption.

Certified Chief Compliance Officer

  • Versand von 3 umfangreichen Lehrbriefen zum Selbststudium
  • tutorielle Betreuung während des Lehrgangs
  • 4 Tage Präsenzunterricht

Lehrbriefe:

  1. Compliance in der Organisation
  2. Compliance als Führungsaufgabe
  3. Compliance und Recht

Die Inhalte des Fernlehrgangs Certified Chief Compliance Officer beinhalten u.a. Compliance von Lieferanten und Kunden, Compliance und M&A, Compliance und IT, Compliance auf Führungsebene, Haftung der Geschäftsführung, Arbeitsrecht und Compliance, Kartell- und Wettbewerbsrecht, Geldwäsche, ISO 19600, ISO 37001

Quellen:

Entwurf eines IDW Praxishinweises 1/2016: Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems gemäß IDW PS 980 StFA 2016

Anwendungserlass zu § 153 AO – Bundesministerium für Finanzen – 2016